Am Pferdemarkt

Nachdem wir uns mit dem Volvo und dem Mercedes ein Sportcoupe und eine Reiselimousine angeschafft hatten, stand uns der Sinn nach einem historischen Cabrio. Zunächst wussten wir nicht so genau, nach welcher Marke aus welchem Jahrzehnt wir suchten. Je mehr wir uns mit genau diesen Fragen beschäftigten, desto kleiner wurde der Kreis der Fahrzeuge, die in Frage kamen. Einen klassischen Roadster wollten wir ebensowenig wie einen weiteren Mercedes. Was wir aber immer schon wollten, war ein Amerikaner. Das hatte nun nicht unbedingt mit der Suche nach einem Cabrio zu tun, liess sich in Form eines Ford Mustang aber hervorragend kombinieren.

Ein Mustang also, aber welches Baujahr? Fest stand, dass es die erste Serie sein sollte, Baujahr 1964 bis 1969. Nur, die filigrane Urform aus den Jahren 64-66, eventuell sogar als 6 Zylinder Schalter, oder die deutlich bulligeren späteren Modelle mit V8 Motorisierung und den nach innen gewölbten Heckleuchten? Das Angebot ist besonders für die späteren Modelle als durchaus üppig zu bezeichnen. Vor allem amerikanische Händler und auf Europa-Import spezialisierte holländische und deutsche Importeure bieten reichlich Ponies in allen erdenklichen Zuständen an. Das Problem ist wie überall, dass in vielen Fällen die Bewerbung und Beschreibung der Fahrzeuge mit den eigenen Vorstellungen und Einschätzungen nur bedingt übereinstimmen. Bei genauer Betrachtung vor Ort wird die Auswahl demnach dann auch schon deutlich eingeschränkter.

Mit Fortschritt der Suche konkretisierte sich dann auch die Vorstellung, welcher Stang es denn nun sein sollte. Die Urform hatte es uns angetan, nur der 6 Zylinder passte da nicht so recht ins Bild. Ein Amerikaner mit 3-Gang Schaltung? Muss für uns auch nicht unbedingt sein, aber die ersten Mustangs waren nun einmal so ausgeliefert worden. Allerdings waren der V8 und die Cruise-o-Matic auch schon ab Produktionsbeginn 1964 gegen Aufpreis zu haben. - Ja, so einer sollte es sein.

Wir wurden fündig, wenn auch auf Umwegen. Von einem holländischen Importeuer wurde ein Modell der allerersten Serie - 64 1/2, wie es im Fachjargon heisst - angeboten. Der Wagen stand da in Caspian Blue mit 289er V8, Automatik, elektrischem Verdeck und Servolenkung als Sonderausstattung ab Werk. Dies war aus dem Original-Kaufvertrag aus dem September 1964 ersichtlich. Lediglich auf die Bremskraftunterstützung hatte der Erstbesitzer verzichtet. Überhaupt waren die vollständig dokumentierte Historie und die Tatsache, dass es vor uns nur 2 Besitzer gab, wichtige Hilfsargumente, genau dieses Auto zu kaufen. Der Gesamtzustand freilich war wieder das Hauptargument und der war beeindruckend. Das Auto war fast vollständig restauriert worden, einziger Schönheitsfehler war das hässlich abgenutzte schwarze Verdeck mit einer milchig-vergilbten Heckscheibe.

Der Mustang im Fahrbetrieb

Das Verdeck zu wechseln ist für einen erfahrenen Sattler kein großes Thema, war also schnell erledigt. Wir haben uns für ein weißes Stoffdach entschieden, ein freundlicher Kontrast zum eher dunklen Caspian Blue. Mit neuem Auto samt neuen Dach ging es gleich auf die erste Rallye. Obwohl ein Mustang nicht gerade zu den besonderen Exoten unter den Oldtimern gehört, waren wir in einem Starterfeld jenseits der hundert Teilnehmer die Einzigen mit einem Pony-Car und gleich sowas wie die Publikumslieblinge. Das lag nach unserer Einschätzung wohl daran, dass die Zuschauer nicht primär dem einschlägigen Fachpublikum zuzurechnen waren und daher teilnehmende Stars wie einen tollen Lagonda aus den 30er Jahren zwar mit anerkennendem Nicken ehrten, mit dem Mustang aus der eigenen Erinnerung aber offenbar deutlich mehr anfangen konnten. Uns hat es jedenfalls gefreut.

Der Bewunderungseffekt mit dem Mustang ist generell deutlich größer als wir gedacht hatten. Gesprächsstoff bietet er mit fast jedem, der gerade vorbeikommt. Vielleicht charakterisiert das den Mustang auch schon ganz gut. Er ist primär ein Showcar mit tollem Fahrgefühl bei Prachtwetter und offenem Dach. Seine Domäne ist der Boulevard, das entspannte, offene Cruisen der beste Fahrstil. V8 hin oder her, den braucht es vor allem für den groovigen Sound.

Hektische Fahrmanöver sind aus drei Gründen eher nicht anzuraten. Die 3 Stufen Automatik schaltet früh, ist auf Gemütlichkeit ausgelegt. Daher sorgt schneller Vortrieb für reichliche Geräuschentwicklung, die vor allem bei geschlossenem Verdeck einigermaßen gewöhnungsbedürftig ist. Außerdem ist die Lenkung durch die Servounterstützung a la USA nicht besonders direkt. Sie erfordert daher bei fortgeschrittener Geschwindigkeit stete Nachkorrekturen, auch weil der Mustang dazu neigt, allen Spurrillen zu folgen, was bei flotter Fahrweise in reichlich Action ausarten kann. Dazu kommen noch die Sitze, die zwar grundsätzlich recht bequem obwohl straff gepolstert sind, aber ohne jede Seitenführung auskommen, was zu unfreiwillig veränderter Sitzposition in flotten Kurven führen kann.

Nein, solche Art der Fortbewegung passt nicht zum Mustang, gehört sich einfach nicht. Beim Cruisen ist der Mustang auch ohne besondere Übung unter Kontrolle zu halten. Die Servobremse vermisst man dann auch weniger, denn die Verzögerung beim Mustang erfordert an sich einen beherzten Tritt ins Pedal, den man sich beim Umstieg ins Alltagsauto besser schnell wieder abgewöhnen sollte. Also, Dach auf, Scheiben runter und raus auf die breite, schöne Straße, zwischendurch anhalten auf Kaffee und Bewunderung, das macht auch mit 4 Erwachsenen absolut Spass. Die Gäste im Fond sitzen praktisch ebenso gut wie Fahrer und Beifahrer, können Fahrt und Aussicht auf längeren Etappen in vollen (Luft-)Zügen genießen.

Mit dem Mustang bei Schönwetter gemütlich die Gegend zu genießen gehört zu den absoluten Höhepunkten eines Wochenendes in der warmen Jahreszeit.

Auch Ponies können in Ehren altern

Der Mustang ist über die Jahre unser Showstar geblieben. Mit einem feuchten Tuch liebevoll gereinigt, erstrahlt er in der Sonne wie einst im Mai. Die respektvollen, anerkennenden Blicke vom Straßenrand sind uns mit unserem Pony nach wie vor gewiss. Wir haben allerdings auch dafür gesorgt, dass unser Stang in Würde und Ehren weiter altern konnte.

Wie viele andere frühe Mustangs litt auch unser Exemplar zunehmend an thermischen Problemen. Der Kühler ist für die Größe des Motors wohl ein wenig unterdimensioniert, was bei fortschreitenden Ablagerungen in den Kühlrippen zu raschem Überhitzen führt. Da reicht dann auch schon mal eine kürzere Convoy-Fahrt hinter langsameren Fahrzeugen um das Kühlsystem zu überfordern.
Obwohl der Kühler in unserem Mustang bei einer Restauration in den USA ganz offensichtlich erneuert worden war, mussten wir ihn schließlich samt den Zu- und Ableitungen entfernen. Nachträglich betrachtet liegt der Verdacht nahe, dass die US-Boys zwar den Kühler getauscht, allerdings vor dessen Montage den Motor nicht vom alten Kühlwasser gereinigt hatten. Damit wurde dann wohl alter Schmutz in den neuen Kühler geschwemmt, was dessen Lebensdauer erheblich verkürzt hat.

Die Erfahrung hat dabei gezeigt, dass Ersatzteile für den Mustang vor allem in den USA problemlos zu beschaffen sind. Die Szene ist groß, es gibt für den potentiellen Käufer sogar eine gewisse, wenn auch beschränkte Auswahl. Die hält die Preise - zumindest für Commodities wie einen Kühler in überschaubaren Sphären.
Abgesehen von einer geplatzten Naht auf der Rückbank war der Kühler auch schon das einzige Problem, das wir mit dem Stang bisher hatten. Die Rückbank ist mit einem Handgriff zu demontieren, was die Arbeitsvorbereitung für den Sattler deutlich erleichtert. Die Naht wieder zu schließen war auch keine große Sache, Ersatz für das dunkelblaue Kunstleder zu beschaffen wäre dagegen wohl einigermaßen aufwändig geworden.

Bacardi-Feeling

Eines Tages haben wir uns kurzerhand entschlossen, mit unserem Stang die Reise in den Sommerurlaub anzutreten. Schönes Wetter vorausgesetzt sollte der Mustang schließlich das ideale Gefährt sein, um den Sommer zu genießen. Erste interessante Erfahrung war hierbei gleich einmal die Beladung des Kofferraums mit Gepäck einer durch MiniVan und Großkombi verwöhnten vierköpfigen Familie. Also das Reserverad, das muss raus. Logo, belegt das Ding doch den halben Stauraum. Und da Reifenpannen zumindest bei uns ohnehin so selten sind wie Schnee im Hochsommer, kann auf den Ersatzreifen wohl getrost für eine Woche verzichtet werden. Gesagt, getan. Das Gepäckabteil wird nach Entfernung des wuchtigen Reifens ganz schön geräumig. Selbst wenn schon zwei große Koffer und ein paar Taschen eingeladen sind, findet sich vor allem in den Seitenwangen noch erstaunlich viel Platz für allerhand Krimskrams.

Entsprechende Bereitschaft der Reisegesellschaft vorausgesetzt lässt sich ein tragfähiger Kompromiss zwischen Wunsch und Wirklichkeit bei der Auswahl des Gepäcks finden. Die Anfahrt zum Urlaubsort über 300 Autobahn- und weitere 100 Bundesstraßenkilometern benötigt entweder Geduld zum Genießen mit offenem Dach und mäßiger Geschwindigkeit oder Durchhaltevermögen bei geschlossenem Verdeck. Gefordert wird bei Variante 2 zunächst der Gehörgang, denn mit Dach über den Köfpen wird die fehlende Geräuschdämmung so lange schmerzlich vermisst, bis der Gewöhnungseffekt einsetzt. Das dauert aber seine Zeit. Wer auf der Fahrt schlafen will sollte darüberhinaus entweder so klein sein, dass Oberkörper und Kopf die niedrigen Sitzlehnen nicht überragen oder so müde, dass das klassische Wegnicken des Kopfs nach hinten oder zur Seite nicht mehr wahrgenommen wird.

Die weiche Servolenkung löst bei höheren Geschwindigkeiten nur anfangs ein Gefühl der kontinuierlichen Trennung von Fahrzeug und Straße aus. Irgendwann gibt sich das und der Fahrer lenkt den Stang wie eine große Motoryacht: ein bisserl nach links und ein bisserl nach rechts am Steuerrad gedreht, ohne dabei die Richtung zu verändern. Von der Autobahn einmal herunten dämpft sich auch der Geräuschpegel. Lediglich Tempo 80 (also 50miles) ist mit unserem Stang bei geschlossenem Verdeck nicht zu empfehlen, da stimmen nämlich sämtliche festen Teile am Fahrzeug in die Vibration des Auspuffs ein, was eine unangehme Gesamtakustik zur Folge hat.

Und den Regen, den mag der Stang naturgemäß auch nicht ganz so, ist schließlich ein Cabrio. Der stufenlose Scheibenwischer ist über einen Schalter zu aktivieren dessen Erreichbarkeit nicht eben einen Glanzpunkt der Benutzerfreundlichkeit im Automobilbau darstellt. Bei zügiger Fahrt im Regen sickern irgendwann auch ein paar Tropfen oberhalb des Innenspiegels entlang des Fensterrahmens ins Wageninnere. Die sukzessive aufgestaute Flüssigkeit entsorgt sich dann ohne besondere Ankündigung in der nächsten Kurve auf den Oberschenkel des Lenkers.

Egal, denn erstens macht selbst im Regen bei all der Fummelei mit dem Scheibenwischer das Fahren noch gehörig Spaß. Zweitens hört der Regen auch wieder einmal auf und dann - ja und dann geht das Dach auf, die Scheiben werden runtergekurbelt und augenblicklich stellt sich Bacardi-Feeling pur ein. Das Promenieren entlang des Seeufers war die Königsdisziplin in unserem Mustang. Der V8 brabbelt gemütlich vor sich hin, bei Bedarf röchelt der Auspuff einmal ordentlich für die Galerie und die Insassen und dann ab zur Eisdiele oder auf den Parkplatz des nächsten Strandbads. Der Wagen kann dort getrost offen bleiben, denn die Wenigen, die sich ihm ernsthaft anzunähern getrauen, tun dies mit dem gebotenen Respekt.

Der Urlaub war an sich schon toll, der Mustang als Begleiter das sprichwörtliche Tüpfelchen auf dem i. Eine Erfahrung die wird in den nächsten Jahren gerne wiederholen wollen.

Einige Fotos von unserem Mustang finden sich hier.